Und jetzt noch die Russen? Rund 1,1 Millionen Menschen sind 2022 bereits nach Deutschland geflohen ++ Jetzt schlagen Städte und Kommunen Alarm

Von: Thomas Block und Burkhard Uhlenbroich
25.09.2022 - 11:08 Uhr

Es sind unglaublich hohe Zahlen, die das Bundesinnenministerium verkündet: Allein in diesem Jahr kamen 992.517 Kriegsflüchtlinge aus der Ukraine (Stand: 17.9.2022) nach Deutschland. Gleichzeitig herrscht auf den üblichen Migrationsrouten wieder Hochbetrieb. Betten stehen für ukrainische Flüchtlinge in der Turnhalle des Kirchseeoner Gymnasiums in Bayern bereit.
Foto: IMAGO/Wolfgang Maria Weber

So wurden bis August 115.402 Erstanträge auf Asyl gestellt, vor allem von Syrern, Afghanen und Irakern. Insgesamt mehr als 1,1 Millionen Menschen, das ist mehr als Köln Einwohner hat.

Jetzt warnen die Kommunen vor Überlastung wie im Jahr 2015. Der Hauptgeschäftsführer des Städte- und Gemeindebundes Gerd Landsberg sagte BILD am SONNTAG: "Die Kommunen stehen schon heute vor einer Situation wie in den Jahren 2015 und 2016, und vieles deutet darauf hin, dass im Winter noch sehr viel mehr Menschen nach Deutschland fliehen werden." Putin zerstöre in der Ukraine gezielt Infrastruktur, die die Menschen im Winter brauchten. Gleichzeitig wachse in anderen Teilen der Welt Armut, Arbeitslosigkeit und Nahrungsmittelknappheit.

"Schon heute gibt es viele Kommunen, die Menschen in Turnhallen unterbringen müssen, weil alle anderen Kapazitäten erschöpft sind. Wird das noch mehr, dann steuern wir auf einen echten Unterbringungsengpass im Winter zu", warnt Landsberg.

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Mehr als 1,1 Millionen Menschen sind aus ihrer Heimat nach Deutschland geflohen.

Sein nüchternes Fazit: Viele Standards müssten vorübergehend außer Kraft gesetzt werden. "Heißt: Schulklassen und Kitagruppen werden größer werden müssen." Städtetag-Präsident Markus Lewe fordert, Bundes- und Landesimmobilien unbürokratischer als Unterkünfte herrichten zu können.

Vor allem in Brandenburg, Baden-Württemberg und NRW spitzt sich die Lage zu. Die Regierung in Düsseldorf kündigte bereits einen Aufnahmestopp an. Auch die baden-württembergische Migrationsministerin Marion Gentges (51, CDU) sagte BILD am SONNTAG: Wohnraum und Verwaltungspersonal seien "mittlerweile weitestgehend ausgeschöpft".

Bundesinnenministerin Nancy Faeser (52, SPD) räumt ein: "Je länger der Krieg dauert, desto schwieriger ist es, so viele Geflüchtete gut unterzubringen und zu versorgen."

Faeser plant einen Flüchtlingsgipfel: "Am 11. Oktober habe ich die kommunalen Spitzenverbände eingeladen, damit wir uns bestmöglich koordinieren."

Dass wieder mehr Menschen über das Mittelmeer und die Balkanroute nach Europa kommen, "macht mir Sorge", so Faeser. Die Grenzkontrollen zu Österreich seien verlängert worden, an der tschechischen Grenze kontrolliere die Bundespolizei verstärkt im Rahmen der Schleierfahndung. "Denn klar ist: Wir sind gemeinsam in der Verantwortung, illegale Einreisen zu stoppen, damit wir weiter den Menschen helfen können, die dringend unsere Unterstützung brauchen."

Von links: Theresia, Jörg und Claudia Waniek. Daneben Vira, Elizaveta, Anastasia und Veronika aus Kiew
Foto: Ufuk Ucta

Dazu kommen russische Reservisten, die nach Putins Generalmobilmachung ihre Heimat verlassen. Grüne und Liberale wollen die Deserteure aufnehmen. Die Union warnt hingegen davor, dass Deutschlands Hilfsbereitschaft den Falschen zugutekommt. CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt (52) sagt, er erwarte, dass Faeser "ein konkretes Konzept zur schnellen Unterbrechung der Transitrouten vorlegt und mit der EU auf den besseren Schutz der Außengrenzen drängt".

Klar ist aber auch: Die Unterbringung ukrainischer Kriegsflüchtlinge muss klappen. Deutschland könne den Ukrainern nicht sagen, dass wir keinen Platz für sie haben, sagt Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil (63, SPD) zu BILD am SONNTAG: "Das ist ausgeschlossen. Mir ist klar, dass die Unterbringung von so vielen Menschen in so kurzer Zeit schwierig ist und die Schulen mit ihren Kapazitäten am Limit sind. Aber es gibt keine Alternative."

"Wir würden es wieder tun"

Claudia (44) und Jörg Waniek (53) leben mit ihren Töchtern Louisa (12) und Theresia (1) in einem Dorf nahe Cottbus (Brandenburg).

Als der Krieg begann, nahmen sie in ihrem Gästezimmer kurz nacheinander zwei Flüchtlingsfamilien auf, die inzwischen beide weitergezogen sind. Jörg Waniek zu BILD am SONNTAG: "Wir halfen gerne, würden es sofort wieder tun."


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